Xiaomi Power Bank 3: Der Heißsporn

Seitdem ich mich auf den Weg gemacht habe, meine Elektronik größtenteils mit USB-C auszurüsten, fehlte mir noch eine mobile Elektronenpumpe, also: Energiequelle. Powerbank. Die neuen Modelle kommen bald in die Leistungsklasse alter Akkuschrauber-Akkus. 45 Watt sollten mir reichen, allerdings sollte es ein Hersteller sein, der einen Ruf zu verlieren hat und deswegen keine Geräte verkauft, die beim Kunden allzu leicht Feuer fangen. So fiel meine Wahl auf die Xiaomi Power Bank 3, Modell PLM07ZM

Sie kam entladen bei mir an und beim Aufladen an meinem 45-Watt-Netzteil staunte ich schon, dass das Ding mit 45 Watt lud und ich auf der Wärmebildkamera sehr gut erkennen konnte, wie der Stecker und die Elektronik in der Powerbank warm wurden. Mit der Hand war das nicht weniger deutlich spürbar. ;)

Beim weiteren Ausprobieren der Powerbank bin ich aber auf ein paar seltsame Dinge gestoßen und zum Schluss auf etwas sehr beunruhigendes: Die Powerbank wird heiß, sehr heiß. Allerdings nur innerlich, weil das Plastikgehäuse anscheinend gut isoliert. Das fiel mir auf, als ich die spezifizierten 45 Watt via USB-C/USB-PD an 15 Volt aus der Powerbank gezogen habe. Nachdem mir die Powerbank bei 20 Volt immer wieder ausging, dachte ich: Probiere es doch mal bei 15 Volt statt 20 Volt. Rein aus Neugier wollte ich wissen, wie die Wärmeverteilung ist. Die Powerbank hatte sich nach ca. 5 Minuten gerade abgeschaltet, ich guckte mit der Wärmebildkamera und traute meinen Augen nicht: 96°C, so heiß war es hinter USB-A-Ports. :o Die folgenden Bilder entstanden später, da war die Temperatur schon ein Stück gesunken. Da die Ergebnisse einer unkalibrierten Wärmebildkamera mit Vorsicht zu genießen sind, habe ich mein Pt100-Thermometer in einen der USB-A-Ports geschoben und kam zu fast den gleichen Zahlen: 89°C auf der Wärmebildkamera, dann 87°C mit dem Thermometer. Um es mal deutlich zu sagen: Davon brennt die Elektronik sicherlich nicht ab, doch wie lange hält sie bei den Temperaturen? Zieht das die Lithium-Zellen in Mitleidenschaft? Sind die ebenso gut eingepackt und werden vielleicht auch sehr warm? Ich weiß es nicht, aber es besorgt mich.

50 Grad, Draufsicht

50 Grad, Draufsicht

89 Grad

89 Grad

87 Grad

87 Grad

  • Leistung zum Dahinschmelzen

Dagegen treten all die anderen Auffälligkeiten in den Hintergrund:

  • USB-PD: Darf’s ein bisschen mehr sein?
    53W > 40W

    53W > 40W

    Via USB-PD mit 20 Volt bekomme ich 53 Watt aus der vollen Powerbank, ohne dass sie sich abschaltet. Wohlgemerkt ist sie bsi 20 Volt laut Aufdruck auf 40 Watt beschränkt. Das ist seltsam, die Strombegrenzung sollte den Ausgang deutlich früher abschalten.
  • USB-PD: Weniger Leistung am Ende
    Eben meinte ich noch, man könne mehr Leistung aus der Powerbank ziehen als spezifiziert, doch das gilt nur solange sie voll ist: Ist die Powerbank nur noch halb voll, schaltet sie sich auch schonmal bei 35 Watt Leistung (20 Volt) ab. Äh, was? So haben wir nicht gewettet! Ich werde mal Xiaomi fragen, ob das so sein soll. Während sich die Powerlast bei normaler Überlast (55 Watt, zum Beispiel) ab- und kurz danach wieder einschaltet, bleibt der USB-C-Port in diesem Fall tot, bis man den Taster an der Powerbank drückt. Das lässt mich vermuten, dass in diesem Fall vielleicht die Spannung der Akkus zu sehr einbricht und der Unterspannungsschutz anspricht und die ganze Elektronik abschaltet. Dieses Problem ist übrigens nicht das Übertemperaturproblem von weiter oben!
  • Schalter und Moduswechsel unterbrechen Stromversorgung
    Die Powerbank hat einen Schalter. Drückt man ihn, zeigen die LEDs den Ladestand an. Allerdings werden, wenn man ihn drückt, alle Ausgänge für eine halbe Sekunde unterbrochen und dann neu aktiviert. Das ist verstörend, wenn man gerade sein Telefon lädt und sehr nervig, wenn man ein anderes Gerät als ein Telefon dran betreibt. Das Gleiche passiert, wenn man ein neues Gerät verbindet, das eine andere Spannung als 5 Volt aushandelt. Wieso? Nun, anscheinend teilen sich die Ports einige Spannungsregler, siehe weiter unten. Oder das ist die clevere Lösung, wie die Powerbank verhindert, dass man sie mit sich selbst lädt: Sie unterstützt das gleichzeitige Betreiben von Geräten an den USB-A-Ports, während sie über USB-C geladen wird. Nun wäre es Unfug, würde sie sich mit einem Kabel vom eigenen USB-A- zum USB-C-Port selbst “laden”. Die Spannungsunterbrechung könnte dazu dienen, diese Situation zu erkennen. Was auch immer es ist, ich finde es nervig, dass alle meine Geräte Geräusche machen oder ihren Bildschirm anschalten, wenn ich ein neues Gerät an die Powerbank stecke.
  • Mehere Geräte gleichzeitig laden: Ja, aber nicht schnell
    Wenn ich ein Gerät am USB-C-Port anschließe, das USB-PD beherrscht, schalten die beiden USB-A-Ports automatisch auf 5 Volt herunter, unabhängig davon, welche Spannung man per USB-PD aushandelt. Also ja, man kann alle Ports gleichzeitig benutzen, aber nicht mit mehr als 5 Volt…
  • Huawei P20: USB-A schneller als USB-C?!
    Mein Huawei P20 beherrscht USB-PD und Huaweis proprietären Ladestandard (Huawei SCP, Gen. 1). Seltsamerweise lädt es weder mit SCP noch mit USB-PD an der Powerbank via USB-C. Es lädt langsam, wie man am Fehlen des zweiten Blitzes auf dem Bildschirm des Telefons erkennen kann. Schneller geht am via USB-A-Port der Powerbank: Hier erscheinen nun zwei Blitze. Mir erklärt sich leider nicht, was dort vor sich geht, jedoch hatte ich mir via USB-C mehr erhofft.
  • Samsung Galaxy Tab S2: Geht besser
    Auch mein Galaxy Tab S2 lädt die Powerbank nicht sonderlich schnell. Hier liefert eine andere Powerbank (Anker PowerCore 20100) mehr Strom. Seltsam.
  • Großes Schwergewicht
    Die Powerbank wiegt 436 g, und damit 22% mehr als meine Anker PowerCore 20100 (358 g). Seltsamerweise hat die Xiaomi-Powerbank nur 2% mehr Kapazität. Woher kommt das große Mehrgewicht und das Mehr an Volumen?
  • Laserbeschriftung: Dunkelbraun auf glänzend Schwarz
    Eventuell ist das ein Muss für Powerbanks, meine Anker-Powerbank ist ebenso fast unlesbar beschriftet. Xiaomi setzt dem allerdings die Krone auf und bringt die Beschriftung in kleiner, dünner Schrift mittels Laser auf glänzendem Plastik auf. Selbst im schrägen Licht ist das kaum zu lesen.

Als Fazit lässt sich sagen: Es ist sehr praktisch, mit der Powerbank seine Gerätschaften mobil betreiben zu können. Das Laden mit 45 Watt ist definitiv ein Fortschritt von der Anker-Powerbank, die gefühlt einen Tag lang lädt. Jedoch steckt der Teufel hier im Detail. Bei der Komplexität der vielen verschiedenen USB-Spannungsversorgungsverhandlungsprotokolle ist es zu erwarten, dass es an einigen Ecken und Enden hakt. Nur beschleicht mich bei Xiaomi so langsam das Gefühl, dass ihre Produkte gerne eine hübsche Verpackung haben, doch nicht so ganz durchdacht sind. Bei meiner Induktionsplatte ist das ähnlich. Die Temperaturentwicklung im Innern der Powerbank ist durch nichts zu entschuldigen. 90°C sind sicher für die Elektronik nicht auf Dauer gut. Ich halte das Ding für brandgefährlich und habe Xiaomi gefragt, ob das so sein soll:

Textbausteine von der Xiaomi-Kundenbetreuung

1. Antwort von Xiaomi

Ich habe nach Erklärungen zum beschriebenen Verhalten gefragt, ohne das Überhitzen zu erwähnen. Davon wusste ich zum Zeitpunkt der Anfrage noch nichts. Umschriebene Antwort:

Tut uns leid, das Produkt vertreiben wir nicht international. Bitte wenden Sie sich an den Händler, der Ihnen das Produkt verkauft hat.

2. Antwort von Xiaomi

Nachfrage: Schon, aber ich kann das Gerät überall via AliExpress kaufen und meinen Sie, es ist normal, dass das Gerät überhitzt?

Antwort: Gleicher Textbaustein wie beim ersten Mal.

Das war’s, Xiaomi. Ich habe verstanden, dass Euch nichts an Kunden, deren Zufriedenheit oder gar deren Sicherheit liegt.