Exkurs: Mechanik und Nähmaschinen

Es weihnachtet bald, und ich hatte noch keine Geschenkideen. Doch die Nähmaschine meiner Mutter verweigerte seit einiger Zeit den Dienst, und sie mochte ihre alte jugoslawische Nähmaschine sehr. Die Maschine, eine Bagat Vesna 703, ist ein Lizenzprodukt von Singer und unverschämt schwer. Sie besitzt nur sehr wenige Kunststoffteile, sondern besteht vor allem aus Gusseisen. :-D Über den einzigen Riemen der Maschine treibt der Motor die Welle an, der Rest der Bewegungen wird durch Pleuelstangen und Exzenter an der Welle erzeugt. Doch es bewegte sich nichts. Um herauszufinden, was festgefressen ist, habe ich einzelne Pleuelstangen entfernt. Jedoch nur um festzustellen, dass es der Exzenter für den Nadelhub war, der Probleme machte. Mit Geduld, Öl und Werkzeug habe ich die Maschine zwar wieder gängig bekommen. Doch leider zerbrach mir dabei eine Pleuelstange. Ich zog sie zu stark an und dann lief sie beim Probelauf unbemerkt heiß und brach. :-( Erst funktioniert alles wieder, und dann macht es peng. Wie ärgerlich. So bekam ich allerdings die Zeit, mir einmal gründlich anzugucken, was eigentlich fest war. Es war kein Lager, sondern der Exzenter mit Gegengewicht aus vermutlich Zinkguss für den Nadelhub. Er hat sich ein wenig vergrößert und drückte auf die Lagerhalterung, die sich knapp daneben befindet. Mit dem Stechbeitel ließ sich zwar genug Material abtragen, nur zeigten sich auch an einer Halterung zum Aufspulen des Fadens Risse – das Teil besteht aus dem gleichen Guss. Damit war das Schicksal der Maschine leider besiegelt, denn durch die Gusspest werden die betroffenen Teile sich immer weiter ausdehnen, reißen und bröckeln.

Für weniger Geld als der gebrochene Pleuel als Ersatzteil gekostet hätte, bekam ich das gleiche Modell auf eBay noch einmal. Mit dabei waren noch viele Füße, wovon aber die Hälfte nicht zu der Maschine passte. Doch dazu später. So habe ich die Ersatzmaschine, deren Koffer beim Transport kaputtging, mit der vorhandenen vereinigt. Die Maschine funktioniert nun wieder und ging als Geschenk zurück an meine Mutter.

Koffer

Koffer

Nähmaschine

Nähmaschine

Als Kind durfte ich mit der Nähmaschine nähen, und auch so ärgerte es mich etwas, wieder mit der Hand nähen zu müssen, nachdem ich die einzige funktionierende Nähmaschine wieder abgab. Wie erwähnt, lohnte eine Reparatur der verbliebenen Nähmaschine nicht. Schlussendlich schlug ich bei eBay zu, als eine Veritas 8014/4140E kaputt, aber in gutem Zustand angeboten wurde. Für weniger als 5 € bekam ich so ein Modell mit elektronischer Drehzahlregelung. Denn dass man die Nähmaschine jedes Mal von Hand andrehen musste, damit sie gefühlvoll losnäht, das nervte mich an der alten Bagat-Maschine ziemlich. Die Drehzahlregelung versprach, das zu lösen. Doch natürlich funktionierte er nicht. Wie beschrieben, tat die Maschine nichts. Also baute ich die Maschine auseinander, reinigte und ölte sie, um mich danach der Elektronik zu widmen. Sie befindet sich ganz unten in der Maschine, denn da war noch Platz. Jedoch verdeckt sie so andere Teile, die zu ölen sind.

Egal, eine Inspektion der Platine offenbart die mäßig professionelle Reparatur eines verkohlten Widerstands. Puh, das fängt ja toll an. Nebenbei suchte ich schon einmal nach einem Schaltplan, wurde aber nicht fündig. Die Anleitung für eine Veritas 8014/4140 (ohne E) kam meiner Oma. Jedoch unterscheiden sich die Ölstellen beider Maschinen und so fehlte mir weiterhin der Schaltplan für die Drehzahlregelung…

Wert

Wert

kaputte Sicherung

kaputte Sicherung

Auffällig war jedoch eine kaputte Sicherung. Hmm, es wird doch nicht etwa nur die Sicherung sein? Mit einer 60-Watt-Glühlampe statt Sicherung kam heraus: doch! Die Schrift auf der Sicherung ließ sich mit dem Finger abwischen, was zu den Korrosionserscheinungen an den Endkappen passt. :-D Doch der Wert steht auch auf der Plastikabdeckung der Platine: Flink, 800 mA. Also die Sicherung gegen eine andere gleichen Typs ausgetasucht, und schon schnurrte die Maschine wieder. :-)

Leider hat mir der Vorbesitzer überhaupt kein Zubehör mitgegeben. Doch der Fuß an der Veritas kam mir so bekannt vor… Es ist einer von denen, die bei der Ersatz-Vesna dabei waren. Tatsächlich passen alle Füße, die nicht zur Vesna gehören, zur Veritas-Maschine. Wie schön. So habe ich jetzt eine komplette, kompakte Nähmaschine, samt Koffer. <3

Die Drehzahlregelung der Veritas begeistert mich tatsächlich. Bei der alten Bagat-Maschine bestand der Anlasser nur aus einem Vorwiderstand als Drehzahlsteller. Dementsprechend variierte die Drehzahl stark, je nach Widerstand des Nähguts. Verglichen damit ist die elektronische Drehzahlregelung ein riesiger Fortschritt. Schon mit wenig Druck auf den Anlasser fängt die Veritas an, langsam zu nähen. Dass es noch langsamer und gefühlvoller ginge, ist mir als Elektroniker bewusst, doch der praktische Nutzen des Nähens in Zeitlupe scheint mir gering. ;-) Zudem kann man bekanntlich nicht alles haben, und so gebe ich mich mit der Veritas so wie sie ist zufrieden.

Wenn ich zu viel Zeit haben sollte, werde ich die Schaltung des Drehzahlsregler (Typ: E1, Textima-elektronik Karl-Marx-Stadt) komplett aufmalen. Doch erst einmal gibt es hier die Bilder der Platine, falls sie jemand anderes als Referenz braucht. In der DDR-Patentschrift 148 918 habe ich eine die vereinfachte Schaltung und eine Beschreibung ihrer Funktion gefunden. Es handelt sich also tatsächlich um einen Regler und nicht nur eine Steuerung, da der Motorstrom zur Rückkopplung benutzt wird. So sackt die Drehzahl unter Belastung viel weniger ab als dies bei einer reinen Steuerung der Fall wäre. Ein netter Trick.

Rückseite der Steuerung

Rückseite der Steuerung

Vorderseite der Steuerung

Vorderseite der Steuerung

Nicht schön repariert, funktioniert aber dennoch

Nicht schön repariert, funktioniert aber dennoch

Überlagerung beider Seiten

Überlagerung beider Seiten

Schaltung aus Patent 148 918

Schaltung aus Patent 148 918